Sie würden sich lieber ein Video ansehen?

Dann klicken Sie hier:


Je mehr Hinweisreize wir beim Lernen verwenden, umso mehr Abrufreize stehen uns für eine spätere Erinnerung, Rekonstruktion zur Verfügung. Aha!

Was ist ein Hinweisreiz? Alles, was wir mit dem absichtlich Gelernten noch nebenbei abspeichern: den Ort, das Licht, die Farben, Geräusche, Gefühle, Düfte, Musik, Personen, Bewegung usw. Daraus sehen wir schon, dass die Wahrscheinlichkeit der Erinnerung größer ist, wenn wir abwechslungsreich und mit vielen Sinnen lernen. Multisensorisch.

In der Lernpsychologie ist dieser Sachverhalt nach Donald Hebb als Hebb´sche Lernregel bekannt:

Diesen sehr vereinfacht formulierten Sachverhalt kann man sich wie eine metaphorische Perlenkette vorstellen, wobei die einzelnen Perlen Duft, Licht, Farben, Musik usw. darstellen. Wenn man nach einer Perle in einer tiefen Tasche greift, zieht man die ganze Kette hervor. Wir riechen beim Betreten der Wohnung den Duft des leckeren italienischen Gerichtes aus dem letzten Urlaub und schon sind die Erinnerungen des Urlaubs wieder präsent. Und damit sind wir auch schon beim Proustschen Gedächtnis gelandet.

Wie das Proustsche Gedächtnis zu seinem Namen kam:

Marcel PROUST, ein französischer Schriftsteller (1871-1922), kam an einem Wintertag durchfroren und deprimiert nach Hause, als seine Mutter ihm vorschlug, entgegen seiner Gewohnheit, eine Tasse Tee zu sich zu nehmen. Sie ließ daraufhin „eines jener dicklichen, ovalen Sandtörtchen holen, die man Petites Madeleines nennt“. Während er bedrückt über den trüben Tag einen Löffel Tee mit einem aufgeweichten Stück Madeleine an seine Lippen führte, durchzuckte ihn ein unerhörtes Glücksgefühl, dessen Grund ihm unbekannt blieb. Nach dem dritten Schluck beschloss er aufzuhören, weil die geheime Kraft des Trankes nachließ.

Die Wahrheit, die Proust suchte, musste offenbar in ihm selbst zu finden sein und nicht in dem Getränk. Und mit einem Mal war die Erinnerung da.

Der Geschmack war der eines kleinen Stücks einer Madeleine, die ihm Tante Leonie in Kindertagen am Sonntagmorgen, in Lindenblütentee getaucht, anbot. Er wusste nicht, weshalb ihn diese Kombination von Duft und Geschmack so glücklich machte, war aber höchst erstaunt, dass dieses Erlebnis ihm eine weit zurückliegende Vergangenheit mit allen, längst vergessenen Details glasklar zurückbringt. „…alle Blumen unseres Gartens … und all die Leute aus dem Dorf …, all das, was nun Form und Festigkeit annahm, Stadt und Gärten, stieg aus meiner Tasse Tee.“
Diese Erinnerungen verarbeitet Marcel PROUST in seinem 7bändigen Roman „Auf der Suche nach der verlorenen Zeit“.

Was können wir daraus lernen?
Wenn man für eine Klassenarbeit (Klausur, Prüfung) lernt, dieselben Stifte, Materialien benutzen, wie in der Arbeit. Zu Hause schreiben wir oft mit den kleinen abgeschriebenen Stiften, hocken dann im Jogging-Anzug in einer Sofa-Ecke, der Duft des frisch aufgebrühten Kaffees steigt uns in die Nase und dann erscheinen wir mit Schlips und Kragen, frisch geduscht bei der Prüfung. Selbstverständlich mit den neuen Stiften, Mineralwasser und Glucose-Pastillen. Von der Prüfungsatmosphäre ganz zu schweigen. Das lässt sich ändern.
Beim Lernen und in der Prüfung (Schule, Klausur) kann man denselben Duft verwenden, zum Beispiel an einer Apfelsinenschale kratzen und daran riechen. Friedrich SCHILLER hatte angeblich immer einen angefaulten Apfel auf seinem Schreibtisch liegen, wenn er besonders einfallsreich sein wollte. Es gibt auch Stifte und Marker mit verschiedenen Duftnoten.

Kinder finden das großartig und stecken Stifte mit den unterschiedlichsten Düften in dasselbe Mäpchen. Das riecht dann intensiv nach Gummibärchen. Das ist zwar immernoch ein Abrufreiz, aber kein selektiver Abrufreiz.

Musik kann das Lernen unterstützen und auch als Abrufreiz eingesetzt werden. Bei den meisten Prüfungen geht das zwar nicht, trotzdem kann man sich die Musik ins Gedächtnis rufen. Man denke dabei nur an das rhythmische Lernen, an Stabreime, Merksätze in Versform. So etwas kann man auch selbst machen.
Das waren nur einige Beispiele, das Repertoire der Möglichkeiten ist damit noch lange nicht erschöpft. Und das alles kostet gar nichts. Noch nicht einmal Zeit. Sollte man es da nicht wenigstens versuchen?